Arche Herzensbrücken - Pflegekräfte mit Kindern_5
Kathrin Ebenhoch

von Kathrin Ebenhoch

08. Oktober 2025

HORST SZELI UND TEAM

Arche Herzensbrücken

Arche Herzensbrücken* bietet seit 10 Jahren Entlastungswochen für Familien mit schwer erkrankten Kindern in Seefeld. Medizinisches Fachpersonal, Therapeut:innen und Ehrenamtliche kümmern sich um die, Eltern, Geschwister und das erkrankte Kind, damit alle eine Auszeit auf Tirols Hochplateau genießen können. Die Einrichtung ist derzeit im deutschsprachigen Raum einmalig. Sein Ursprung war der Wunsch von Horst Szeli, das Leben dieser Familien ein kleines bisschen leichter zu machen.

Mein Lebensauftrag ist es, das Leben von Familien mit schwer erkrankten Kindern ein Stück leichter zu machen.

Arche Herzensbrücken - Pflegekräfte mit Kindern_2

HORST SZELI

Ruf des Herzens

Manchmal hat man tief in seinem Inneren schon immer so ein Gefühl, manchmal rüttelt noch zusätzlich ein äußeres Ereignis daran und dann wird der Ruf so laut, dass man ihn nicht mehr ignorieren kann. So erging es Horst Szeli, als er 2012 den Grundstein zu Arche Herzensbrücken legte. Sein Start ins Leben war aufgrund von Komplikationen bei seiner Geburt ein harter Kampf gewesen, dessen er sich lange nicht bewusst war, der ihm aber wohl schon damals seinen Lebensauftrag im Herzen festschrieb: „Das Leben von Familien mit schwer erkrankten Kindern ein bisschen leichter zu machen.“ 2012 kam dann ein Anlassfall im engsten Freundeskreis dazu.

„Freunde von uns, die schon lange ihr schwerstkrankes Kind pflegten, bekamen über Spenden einen 10-tägigen Urlaub in einem Familienhotel geschenkt“, erinnert sich Szeli. „Nach drei Tagen kamen sie verzweifelt zurück.“ Sämtliche Betreuer:innen im Hotel durften und konnten sich nicht um ihr Kind kümmern, die Pflege blieb‘ wie daheim an den Eltern hängen, und das in nicht pflegegerecht ausgestatteter Umgebung. An eine Auszeit oder gar Erholung war nicht zu denken. Das traf Szeli ins Mark, er ging zu seiner Frau Doris, die das Hotel Solstein in Seefeld führte und frage sie direkt: „Kannst du dir vorstellen, dass wir das bei uns im Haus anders machen?“ Sie reagierte sofort positiv: „Ich hab‘ viel Gutes vom Leben bekommen, hier kann ich etwas zurückgeben. Wenn du dich um alles andere kümmerst, steuere ich das Hotel dazu bei.“

Aufbruch ins Ungewisse

‚Alles andere’ bedeutete vor allem einen Aufbruch ins Ungewisse. Szeli gründete den Förderverein Arche Herzensbrücken und traf auf Ines Paratscher. Die aus tiefer persönlicher Überzeugung ausgebildete Palliativschwester aus dem Unterland kämpfte gerade um den Aufbau eines mobilen Palliativdienstes im Raum Kitzbühel/St. Johann. Auch in Seefeld war sie sofort mit an Bord. Die rechtlichen Rahmenbedingungen allerdings waren für alle Neuland und sind es teils bis heute: „Kein Anwalt konnte uns ad hoc Auskunft geben, da wir bis heute das einzige Hotel dieser Art sind.“ Szeli möchte das aber bewusst bleiben und kein Hospiz oder eine professionelle Pflegeinrichtung werden.

Zum einen seien die Auflagen enorm und oft fragwürdig – so könne man zum Beispiel an kleinsten Ausstattungsdetails in Zimmern scheitern – zum anderen sei es gerade der Hotelcharakter, der den Familien so viel gebe. „Vor allem die Geschwisterkinder blühen auf und freuen sich darauf in der Schule zu erzählen, dass sie alle zusammen in Seefeld in Urlaub waren und nicht wieder „nur“ auf Kur oder Reha für die kranke Schwester oder den kranken Bruder“, sagt Szeli.

Es mag wie eine Nebensächlichkeit erscheinen, doch der kleine aber feine Unterschied, dass es bei Arche Herzensbrücken nicht nur um das kranke Kind geht und die Familie sein Anhang ist, sondern, dass hier die Familie im Zentrum steht und sie – salopp formuliert – halt auch ein krankes Kind dabeihat, macht unendlich viel aus. Vor allem für Familien, deren Kinder an sogenannten Seltenen Krankheiten** leiden und teilweise über viele Jahre palliativ begleitet werden, ist diese Normalität während ihres Aufenthalts in Seefeld ein Herzenswunsch.

Arche Herzensbrücke - Ehrenamtliche mit Kindern
Arche Herzensbrücken - Hundetherapie_2
Arche Herzensbrücke - Ehrenamtliche mit Kindern_1

Premiere 2015

2015 schließlich kamen die ersten Familien ins Hotel Arche Herzensbrücken bestand damals aus fünf Leuten: Doris regelte den Hotlebetrieb, Ines übernahm die Pflege, eine Maltherapeutin und eine Ehrenamtliche nahmen sich ihrer an, und Horst hielt alles zusammen. Heute setzt sich das Betreuerteam aus rund 100 Leuten zusammen: Neben dem Stamm, der bis heute derselbe ist, kümmern sich 28 professionelle Pflegekräfte projektbezogen um die kranken Kinder, 70 Ehrenamtliche und ein Team von Therapeut:innen um die Familien. „Fast alle nehmen Urlaub oder schenken uns ihre freie Zeit, um ein paar Tage im Jahre bei uns zu arbeiten“, erzählt Szeli stolz. Nur vier Pflegekräfte sind ganzjährig in Teilzeit angestellt, da sie sich auch um Vor- und Nachsorge kümmern, unzählige Telefonate führen und bei der Auswahl der Familien helfen.

Arche Herzensbrücken_Gruppenbild

Bewusste Wahl

Die „Triage“, wie Szeli es hart formuliert, sei das Schlimmste. Rund 350 Familien wurden in den vergangenen zehn Jahren betreut, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir haben sehr lange Wartelisten“, erklärt der Mann, dem die Energie nie auszugehen scheint. Bewerben kann sich bei Arche Herzensbrücken jeder mit Kindern zwischen 0 und 18 Jahren, die in eine der Krankheitsgruppen der internationalen Arbeitsgruppe IMPaCCT für pädiatrische Palliativversorgung fallen. Ein Fokus in Seefeld liegt auf den Seltenen Krankheiten, die weniger als 1 Person pro 2.000 Menschen betreffen. „2013 besuchte ich die Kinderklinik Innsbruck zusammen mit ihrem damaligen Leiter Prof. Dr. Gerhard Gaedicke“, erinnert sich Szeli. Er gab ihm damals als Herzenswunsch mit, etwas für die Kinder mit Seltenen Krankheiten zu machen. „Denn sie fallen oft durch den Rost, weil kaum einer ihre Krankheiten kennt und auf sie aufmerksam wird.“

Inklusion und ihre Grenzen

Bis 2025 sorgte Arche Herzensbrücken sogar auch für diese wichtige Thematik. Denn parallel zu den vier Familien mit kranken Kindern pro Ferienwoche kamen auch die klassischen Hausgäste. „Die Inklusion und der Kontakt waren für alle sehr bereichernd.“ Über die Jahre drängte sich aber ein Punkt immer mehr auf: „Wie gehen wir mit Familien um, deren Kinder bei ihrem Aufenthalt bei uns versterben könnten? Lassen sich das Sterben und der Tod von betroffenen Kindern und ein unbeschwerter Wellnessurlaub von nicht betroffenen Familien unter einem gemeinsamen Dach miteinander vereinbaren?“

Palliativschwester Paratscher kann hier auf viel Erfahrung zurückgreifen. Gemeinsam im Team kam man schließlich zu dem Ergebnis: „Hier endet die Inklusion, egal wie tolerant man ist.“ Gleichzeitig kannte das Team der Arche Herzensbrücken viele Familien mit palliativ eingestuften Kindern seit Jahren, hatte sie über mehrere Aufenthalte*** betreut. Warum sollte dann ein letzter Aufenthalt nicht mehr möglich sein? „Als sich meine Frau heuer vom Hotelgeschäft zur Ruhe setzte, war für uns klar, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen“, sagt Szeli. „Wir werden ein exklusiver Ort für 4-5 betroffene Familien pro Woche, und der Tod darf dazugehören.“ Doris wird weiter ehrenamtlich helfen, der Verein übernimmt das Hotel, und wird das Angebot ausbauen.

2026 kommen Oster- und Pfingstferien als Entlastungswochen für betroffene Familien dazu. 2027 sollen auch junge Erwachsene kommen können – hierzu fehlen bisher noch nötige Umbauarbeiten. „Außerdem wollen wir Trauer- und Paarwochen für verwaiste Eltern, deren Kinder bereits verstorben sind, anbieten“, sagt der diplomierte Lebens- und Sozialberater, dem ein familienorientierter, systemischer Ansatz besonders am Herzen liegt. „Denn gerade, wenn die 24h Pflege auf einmal wegfällt, braucht es jemanden, der dich auffängt und begleitet.“

Arche Herzensbrücken - Musiktherapie
Arche Herzensbrücken - Pflegekräfte mit Kindern_6
Arche Herzensbrücken - Pflegekräfte mit Kindern

Entspannung Lernen

Schon in der Zeit vor Ort in Seefeld merkt man, wie schwer es vor allem den Müttern, die nach wie vor die meiste Pflegearbeit leisten, fällt loszulassen. „Viele schaffen es bei ihrem ersten Aufenthalt bei uns erst am Ende der Woche ihre Kinder für einen Nachmittag voll in die Hände unserer Pflegekräfte zu geben.“ Wenn sie dann ein paar Stunden Wellness beim Kooperationspartner Hotel Quellenhof genießen können, ist das wie ein kleines Wunder für alle. Genauso wie die Stunden, in denen die Geschwisterkinder im Mittelpunkt stehen. Jedes wird von einer:m Ehrenamtlichen betreut. „Auf die Frage, ‚Was möchtest du heute mit mir machen?‘ wissen sie oft erst gar keine Antwort“, erklärt Szeli eindrucksvoll die emotionale Lage der sogenannten gläsernen Kinder.****

Arche Herzensbrücke - Ehrenamtliche mit Kindern_2
Arche Herzensbrücken - Reittherapie_3
Arche Herzensbrücken - Karwendelausflug_4

Finanzierung durch Spenden

Eine Woche in Seefeld für eine Familie kostet € 5.000,00. Geld, das die betroffenen Familien selbst nicht haben. Es kommt vom Verein; selbst bezahlt wird nur ein minimaler einkommensbezogener Anteil. Finanziert ist der Verein über Spenden. Diese zu lukrieren ist Szelis Aufgabe, Mitarbeiter:innen dafür oder gar eine:n stellvertretende:n Geschäftsführer:in wären zu teuer, würden zu viel von den kostbaren Spenden verbrauchen. „Aber ja, ich werde das alles nicht ewig machen können“, sagt der Nimmermüde, der sich wünscht, dass Arche Herzensbrücken nach ihm weitergeht und sich entwickelt. „Darum sollte ich wohl langsam jemanden suchen und anlernen. Aber aktuell gebe ich das Geld lieber noch für eine weitere Pflegekraft aus.“

Vergangenes Jahr machte Arche Herzensbrücken Schlagzeilen als ihnen der Gute Rat von Marlene Engelhorn eine halbe Million zuerkannte*****. „Ein Segen, weil das Geld Umbauarbeiten, wie ein zweites Pflegezimmer, ermöglicht; weil es viel mediale Aufmerksamkeit brachte; und weil es ein gewisses Qualitätssiegel für uns ist“, gibt Szeli offen zu. „Aber auch ein Nachteil, weil es jetzt oft heißt, ‚na jetzt habt ihr ja genug Geld‘.“ Schnell gerechnet kosten die rund 60 betreuten Familien pro Jahr den Verein € 300.000,00, ohne Umbauten oder Extraausgaben. Eine halbe Million ist also rasend schnell verbraucht.

Szelis Traum für die Zukunft wäre daher ein sozialer Investor, dem Geldsummen schlicht egal sein können. Doch die Realität sieht anders aus: Arche Herzensbrücken ist für jede Hilfe, jede Unterstützung, jeden Euro, jedes Angebot dankbar. „Wir haben am Plateau schon so viel Hilfe erfahren – unsere Familie bekommen im Ort zum Beispiel gratis Eis, Eintrittstickets, Leihausrüstung und vieles andere umsonst – das ist großartig.“ Besonders ans Herz gingen Schulaktionen und Spenden von Kindern. „Oder auch die Hilfe der Motorradgruppe Tirol Choppers, die jedes Jahr einen Event für uns machen und bei der Scheckübergabe mit den Geschwisterkindern eine Runde drehen.“

Szeli weiß viele Geschichten zu erzählen, die zu Herzen gehen. Ob von den Familien, den Kindern, Spendenaktionen oder Träumen, die er hegt. So wie die nächtliche Betreuung der Kinder, „damit Mama und Papa vielleicht einfach mal bis 23 Uhr essen gehen oder einfach nur einmal ungestört schlafen können.“ Sehnsucht nach ein kleinwenig Normalität in einem Leben voller Ausnahmesituationen.

Arche Herzensbrücken – Eine Herzensangelegenheit

Spendenmöglichkeit

Eine Auszeit in der Region Seefeld schenkt uns allen Kraft für unseren Alltag. Mit eurer Spende helft ihr uns dabei, das auch Familien mit schwer erkrankten Kindern zu ermöglichen. Danke für eure Unterstützung!

Förderverein Kinder und Jugendhospizarbeit

IBAN: AT90 3631 4000 0022 6571
BIC: RZTIAT22314

Fakten zu Stärken, Entwicklungsschritten und Zielen über das Herzensprojekt Arche Herzensbrücke findet ihr im Steckbrief.

Wissenswertes auf einen Blick

Kurzinformationen

*Rechtlich gesehen ist Arche Herzenbrücken eine Einrichtung des Fördervereins Kinder- & Jugendhospizarbeit (Trägerverein). Zum einfacheren Verständnis wird hier immer nur von Arche Herzensbrücken gesprochen.

** Seltene Erkrankungen sind definitionsgemäß meist erbliche, oft chronische, mit einem schweren Verlauf einhergehende, komplexe Krankheitsbilder. Sie können lebensbedrohend sein und/oder dauerhafte Invalidität nach sich ziehen. (Quelle: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/seltene-krankheiten.html)

*** palliativ eingestufte Kinder können ab Diagnosestellung mehrmals nach Seefeld kommen.

**** Als gläserne Kinder werden Kinder beschrieben, die im Schatten ihrer schwerkranken Geschwister aufwachsen und deren Bedürfnisse aufgrund der Anforderungen im Familienalltag häufig „übersehen“ werden.

***** Das Geld wird auf mehrere Jahre verteilt in Tranchen ausgezahlt.

Tourismusverband Seefeld | Austria +43 5 0880 | region@seefeld.com | www.seefeld.com