
von Kathrin Ebenhoch
09. Dezember 2025
Tüfteln und Genießen
Die Präparation der Winterwanderwege auf Tirols Hochplateau ist mehr als Arbeit
Was gibt es Schöneres, als auf sicher präparierten Wegen gemütlich durch eine dick verschneite Winterlandschaft zu wandern? Diese in aller Frühe herzurichten! So sehen es zumindest unsere TVB-Mitarbeiter und unsere Partner-Landwirte, die im Winter jeden Morgen ihr Bestes geben, um das 142 Kilometer lange Wegenetz für Gäste und Einheimische bereit zu machen. Ihre Leidenschaft geht so weit, dass sie sogar im Sommer über den Schnee, die Wege und die beste Präparierung nachdenken und in ihren Werkstätten tüfteln.
Es ist 3 Uhr morgens, im Haus ist es ruhig, alle liegen dick eingemummelt unter ihren warmen Winterdecken. Nur Franz Neuner nicht: Er steht auf, schleicht leise in die Küche, schaltet seine eigens installierte Außenbeleuchtung an und schaut hinaus. Das Wetter hat gehalten, was es um 22 Uhr versprochen hatte. Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel, im Hof liegen knapp 30 cm Neuschnee. „Schön“, lächelt Franz in sich hinein und macht sich ein gescheites Frühstück. „Das darf niemals fehlen“, erklärt er. „Denn du weißt nie, was der Tag so bringt.“

Franz Neuner beim Präparieren der Winterwanderwege im Gaistal in der Region Seefeld
Viel Neuschnee = Genuss
Franz ist einer der vier Leutascher Bauern, die für den TVB die Wege in Leutasch präparieren. Seine Route geht von Ostbach über die Buchner Höhe nach Wildmoos und ins Fludertal. Um 4 Uhr morgens sitzt er in seinem Traktor und fährt los. Heute ist ein perfekter Tag, die Nacht war kalt, der gefallene Pulverschnee lässt sich mit der Fräse leicht räumen. Trotzdem hat der erfahrene Landwirt, dessen Familie sich seit 40 Jahren um die Wege in Leutasch kümmert, die Motorsäge und anderes Werkzeug dabei. „Wir sind immer auf alles eingestellt, ein umgestürzter Baum, Äste, die gefährlich über dem Weg hängen – auch das ist unser Job.“



Ruhe und Aufmerksamkeit
Das weiß auch Manfred Leitl vom TVB. Er ist ebenfalls schon unterwegs, aber in Seefeld. Seine Maschinen, ein sogenannter Holder und ein kleiner Steyr Traktor, sind kleiner als Franz’ Gefährt – genau richtig, um die schmäleren Wege herzurichten. „Zuerst sind die in Ortsnähe dran, die früh und viel begangen werden, so wie jener um den Wildsee“, erklärt Manfred. Später dann die, die weiter weg liegen und daher von den Gästen erst später erreicht werden.
Manfred liebt es, so wie Franz, wenn es „einen Haufen Schnee“ hat. „Dann ist es deine Spur, dein Erlebnis, weil du als Erster an die unberührten Stellen kommst". Trotzdem darf man sich nicht von der Schneestimmung ablenken lassen. Vor allem die Stegpassagen am Wildsee hätten es in sich. „Wenn du da wegschaust, liegst schnell mal drunten.“ Samt schwerem Gerät keine schöne, sondern eher eine sehr gefährliche Vorstellung.

Manfred Leitl beim Präparieren der Winterwanderwege mit einem kleinen Steyr-Traktor
Gefahren gibt es auch in Leutasch. „Im Fludertal gibt es einige Absturzstellen“, erzählt Franz. Dort heißt es vollen Fokus auf den Weg und genau schauen. Dank der modernen Scheinwerfer sei das heutzutage gut möglich.
„Früher hatten die Traktoren eher Grablichterl, das war ungut bei schlechter Sicht.“ Franz’ Vater fing 1984 an, für den TVB zu räumen. „Damals gab es schon so viele Kilometer Winterwanderwege, dass es die TVB-Mitarbeiter allein nicht mehr geschafft haben“, erinnert sich Franz. „Darum hat man ein paar Landwirte gefragt, ob sie nicht investieren wollen". Sein Vater war sofort dabei – die Liebe zur morgendlichen Einsamkeit in der Natur und die hohe Affinität zu Maschinen wurden Franz also in die Wiege gelegt.



Wie du es anfängst ...
Der perfekte Winterwanderweg entsteht im Frühwinter, nach den ersten Schneefällen. Hier legt man sich die zukünftige Breite des Weges fest, kümmert sich um Hindernisse und das Lichtraumprofil und legt Ausweichen an. Am wichtigsten ist jedoch der sogenannte Schneestock, eine stabile, ebene Schicht aus den ersten Schneefällen, die mittels Walzen, schwerer, angehängter Reifen oder anderem gefinkelten Gerät auf dem im Sommer bombiert geformten Weg angepresst wird. Nur sie garantiert den ganzen Winter über einen gut begehbaren und gut zu präparierenden Weg. „Hier muss man sich Zeit lassen, darf die ersten Male Fräse oder Schneepflug nicht zu tief ansetzen“, weißt Franz aus Erfahrung. „Denn so wie du es dir da anfangst, hast es den ganzen Winter.“

100 Tage präparieren – 365 Tage tüfteln
Neben dem Schnee sollte man auch das Tüfteln lieben, wenn man rund 100 Tage im Jahr für die Winterwanderwege auf Tirols Hochplateau zuständig ist. Denn die nötigen Maschinen stehen nicht im Laden.
„Ein einfacher Schneepflug oder eine Fräse, ja die gibt’s, aber um sauber arbeiten zu können und sich stetig zu verbessern, muss man selber tüfteln“, weiß Franz. Seit jeher entwickeln er und seine Kollegen oft zusammen mit den Maschinenherstellern neue Aufsätze und Geräte. Durch die veränderten Temperaturen im Winter wird der Schnee nasser, und die Wege eisiger. War früher die Fräsleistung wichtig, stehen heute Geräte im Fokus, die die Wege sauber aufrauen und griffiger machen.
Franz denkt das ganze Jahr an die Winterwanderwege. Die Idee zu seinem neuesten Gerät, das kompakt und kurz hinten am Traktor ein gutes Gegengewicht zur Fräse darstellt und dabei den Schnee planieren, aufrauen oder auch Eisflächen aufkratzen kann, kam ihm im Hochsommer.
„Ich hatte auf einer Baustelle lange Standzeiten und meinen Zeichenblock dabei“, erinnert er sich. „Dabei ist die Idee entstanden.“ Sein Cousin, ein Schmied, baute ein Modell und so ging es weiter. „Diesmal hat es genial geklappt, aber oft probierst du was und verschmeißt es wieder.“


Wetterleiden
Die größte Herausforderung sind heute die Wetterbedingungen. „Wenn sich Nassschnee und Pulver mischen, klappt das Fräsen nicht mehr richtig“, erklärt Manfred. „Wenn sich Schnee und Regen abwechseln, macht man es meist schlechter als besser, wenn man mit der Maschine rausgeht.“
Oft sei es ein Drahtseilakt, die richtige Entscheidung zu treffen. Oft ändern sich die Verhältnisse zwischen den Orten und den höher gelegenen Regionen, wie z. B. Wildmoos, drastisch. Nicht selten hackelt eine Maschine, weil Dreck, Äste oder Steine Schäden anrichten. Die Motivation der Fahrer ist jedoch ungebrochen: „Wir wollen, dass die Leut’ beim Spazierengehen a Gaudi haben“, sagt Manfred und lächelt.
Einmal perfekt
Apropos Lächeln – mittlerweile hat der Schneefall aufgehört und die Sonne ist über der Reither Spitze aufgegangen. Sie zaubert aus dem verschneiten Wildmoos einen endlosen Glitzerteppich und aus den Fontänen, die Franz mit seiner Schneefräse in die Luft bläst, eine fliegende Wand aus Millionen kleiner Schneediamanten.
Franz hat ein Lächeln auf dem Gesicht, während er langsam den Weg freiräumt. „Das ist der perfekte Moment, in dem ich meine selige Ruhe habe. Da gibt’s nur mich und den Weg.“
Ähnliche Gedanken werden heute wahrscheinlich noch viele Winterwandernde haben – die meisten von ihnen, ohne sich bewusst zu sein, dass in den frühen Morgenstunden jemand diesen Weg extra für sie mit ganz viel Leidenschaft präpariert hat.
Neben Franz und Manfred sind noch fünf weitere TVB-Mitarbeiter sowie fünf weitere Landwirte als unsere Partner auf Tirols Hochplateau unterwegs. Sie präparieren täglich die Wege von Scharnitz über Seefeld und Leutasch bis nach Mösern und Reith, um unseren Gästen und Einheimischen stets, angepasst an die jeweiligen Bedingungen, das bestmögliche Wandererlebnis zu bescheren.
Insgesamt sind über 10 Maschinen regelmäßig im Einsatz.
Kurzinformationen
¹ Ein Holder ist ein äußerst stabiles, ca. 1,5 m schmales Fahrzeug der Firma Holder, das gern von Kommunen auf schmalen Wegen oder in Weinbergen genutzt wird.
² Das Lichtraumprofil ist jener Raum über und neben dem Weg, der zum sicheren Begehen und Befahren von Hindernissen wie Ästen o.ä. freigehalten werden muss.
³ Bombieren kennen die meisten von uns vom Schmuck – wie dort meint es auch hier eine gewölbte Form. Die kupierte Form, die im Sommer den Wasserabfluss erleichtert, wäre im Winter ein Problem. Daher müssen als Erstes die Ränder aufgefüllt werden, um abfallende Seiten, die bei eisigen Verhältnissen gefährlich rutschig würden, zu vermeiden.
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